Trauer abgrenzen: komplizierte Trauer, depressive
Episoden & PTBS

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Komplizierte Trauer

Wenn das Trauern zeitlich und emotional so stark ist, dass die betroffene Person in ihrer Lebensführung sehr stark beeinträchtigt ist, bezeichnet man dies als komplizierte Trauer. Die trauernde Person verspürt an den meisten Tagen einen starken Trennungsstress gekennzeichnet durch intensive Sehnsucht nach der verstorbenen Person und immer wiederkehrende Gedanken an den Verlust. Betroffene haben häufig Schuldgefühle oder Gefühle wie Ängste, Gereiztheit oder Wut. Oft werden auch Orte oder Dinge gemieden, die an den Verlust der nahestehenden Person erinnern.

Eine Trauerreaktion wird dann als komplizierte Trauer eingestuft, wenn die zuvor genannten Reaktionen auf einen Verlust über mehr als sechs Monate seit dem Todeszeitpunkt andauern. Risikofaktoren für das Entstehen einer komplizierten Trauerreaktion sind beispielsweise Schuldgefühle, soziale Isolation, Reue, negative Emotionen gegenüber der verstorbenen Person, mehrere, parallele Verluste und andere Stressoren.

Die komplizierte Trauer ähnelt teilweise der Depression oder der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).

 

Depression

Jeder Mensch hat einmal einen schlechten Tag und fühlt sich niedergeschlagen oder traurig.

Menschen mit einer Depression haben viel stärkere und länger anhaltende Beschwerden. Die häufigsten Symptome einer Depression sind niedergeschlagene Stimmung, Verlust von Interesse und Freude an alltäglichen Dingen, die vorher Freude bereitet haben, eine erhöhte Müdigkeit und ein verminderter Antrieb. Außerdem können Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafprobleme, verminderter oder gesteigerter Appetit, mangelndes Selbstvertrauen, Schuldgefühle und Gedanken über die eigene Wertlosigkeit Begleiterscheinungen sein. Oft treten im Verlauf einer depressiven Erkrankung mehrere depressive Phasen auf. Es werden drei Schweregrade unterschieden: leichte, mittelschwere und schwere depressive Symptome.

Während sich die Gedanken und Gefühle bei einer komplizierten Trauerreaktion hauptsächlich um die verstorbene Person und den damit einhergehenden Verlust drehen, sind die Gefühle und Gedanken bei einer Depression allgemeiner und weniger direkt auf dem Verlust selbst bezogen.

„Bei der Trauer ist die Welt arm und leer geworden, bei der Melancholie (Depression) ist es das Ich selbst.“ (Freud, 1917)

 

Posttraumatische Belastungsstörung

Ähnlich wie die komplizierte Trauer wird die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) durch ein extrem belastendes Ereignis, das man als überaus bedrohlich wahrgenommen hat, ausgelöst. Eine PTBS kann sich als Folge eines traumatischen Erlebnisses, im Sinne einer extrem schrecklichen oder lebensbedrohlichen Situation, entwickeln. Beispiele dafür sind schwere Unfälle, Krieg, Naturkatastrophen und körperliche oder sexualisierte Gewalt.

Ob eine Person nach einem traumatischen Erlebnis eine PTBS entwickelt, hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab, z.B. der Art des Erlebnisses und der eigenen Resilienz. Eine PTBS zeichnet sich durch das Wiedererleben der traumatischen Situation in Form von lebhaften und aufdringlichen Erinnerungen aus. Betroffene erleben Rückblenden oder Albträume in der Gegenwart, häufig begleitet von überwältigenden Emotionen, insbesondere von Angst oder Entsetzen, und starken körperlichen Empfindungen. Menschen mit einer PTBS meiden deshalb häufig Situationen, Orte oder Personen, die an das Ereignis erinnern. Auch erleben Betroffene ein Gefühl ständiger Bedrohung, was sich z.B. durch eine verstärkte Schreckreaktion auf unerwartete Geräusche zeigen kann.

Eine komplizierte Trauerreaktion und PTBS haben gemeinsam, dass Betroffene sich oft wie betäubt fühlen und Situationen oder Orte vermeiden, die sie an das auslösende Ereignis erinnern. Während die Erinnerungen an das traumatisierende Ereignis bei der PTBS ausschließlich negative Emotionen auslösen, kann die Erinnerung bei Trauer, in Form von Sehnsucht nach der verstorbenen Person, sowohl negativ, als auch positiv sein (oft auch gleichzeitig). Wenn Sie denken, Ihre Trauer nicht alleine, oder mit der Unterstützung von Familie oder Freund:innen bewältigen zu können oder dass Sie einen komplizierten Trauerverlauf haben, sollten Sie sich an Beratungsstellen, Ärzt:innen oder psychologische Psychotherapeut:innen wenden.

Wenn Sie denken, Ihre Trauer nicht alleine bewältigen zu können oder dass Sie einen komplizierten Trauerverlauf haben, wenden Sie sich eine:n Ärzt:in oder psychologische Psychotherapeut:in.

 

Hier finden Sie Hilfe: weiterführende Unterstützungsangebote

Selbsttest Depression 

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Selbsttest Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

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Quellen:

Für die Inhalte dieser Webseite wurden die im Folgenden aufgeführten Informationsquellen herangezogen. Diese Quellen sind nicht als weiterführende Literatur für betroffene Angehörige gedacht. Es handelt sich um Fachliteratur, die dem Nachweis der wissenschaftlichen Absicherung der Inhalte dient.

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Dilling, H., Mombour, W., Schmidt, M. H. & WHO – World Health Organization WHO Press Mr Ian Coltart. (2015). Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD–10 Kapitel V (F) – Klinisch–diagnostische Leitlinien (10. Aufl.). Hogrefe AG.

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Eisma, M. C. & Tamminga, A. (2020). Grief Before and During the COVID-19 Pandemic: Multiple Group Comparisons. Journal of Pain and Symptom Management60(6), e1–e4. https://doi.org/10.1016/j.jpainsymman.2020.10.004

Gallagher, S. & Wetherell, M. A. (2020). Risk of depression in family caregivers: unintended consequence of COVID-19. BJPsych Open6(6). https://doi.org/10.1192/bjo.2020.99

Gesi, C., Carmassi, C., Cerveri, G., Carpita, B., Cremone, I. M. & Dell’Osso, L. (2020). Complicated Grief: What to Expect After the Coronavirus Pandemic. Frontiers in Psychiatry11. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2020.00489

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Ein Angebot von PallPan, einem Projekt des Nationalen Forschungsnetzwerk der Universitätsmedizin

 

Weitere Informationen unter www.pallpan.de