Gespräche vom Balkon“

Maylien (23), Enkeltochter

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„Als meine Großmutter kurz nach dem Tod meines Großvaters in ein Pflegeheim kam, habe ich versucht, sie regelmäßig einmal die Woche gemeinsam mit meinem Vater zu besuchen. Im Sommer sind wir ein Eis essen gegangen, im Winter ein Stück Kuchen. Meine Oma hat sich immer gefreut, mal rauszukommen und etwas zu unternehmen. Als es durch die Pandemie dann immer mehr Einschränkungen gab, fielen eine Zeit lang nicht nur unser wöchentlicher Ausflug, sondern auch alle Besuche bei ihr weg.

Mein Vater fuhr weiterhin einmal die Woche zum Pflegeheim, um kurz unter dem Balkon meiner Großmutter zu stehen und mit ihr zu sprechen. Doch es war sehr schwer für sie, etwas auf die Entfernung zu verstehen. Kurz nachdem man wieder mit einem negativen Testergebnis oder einem Impfnachweis zu Besuch kommen durfte, musste sie kurzzeitig ins Krankenhaus. Danach ging es ihr immer schlechter und die Ärzte und das Pflegepersonal informierten uns, dass sie nicht mehr lange leben würde. Meine Oma war immer eine sehr starke Frau, die Chefin im Haus, hatte zu allem eine sehr starke und klare Meinung und hat gerne Witze mit den Pflegern und Pflegerinnen gemacht.

Nun lag sie im Bett und konnte kaum sprechen. Aber wenn ihr mal etwas über die Lippen kam, dann, dass sie froh sei, dass wir da sind. Oder ein Kommentar über das Essen im Pflegeheim, das niemals an ihr selbst gekochtes Essen herankommen würde. Meine Großmutter hatte ein erfülltes Leben, eine glückliche Ehe, drei Kinder und fünf Enkelkinder. Alles was sie die letzten Jahre ihres Lebens wollte, war wieder zu ihrem Mann zu kommen. Und dort ist sie jetzt hoffentlich auch.

Ich bin sehr dankbar für die Pfleger und Pflegerinnen, die ihr Eis vorbeigebracht haben, als mein Vater und ich es nicht konnten. Und für meinen Vater, der darauf geachtet hat, dass wir uns alle nacheinander in der letzten Woche ihres Lebens von ihr persönlich verabschieden konnten. Außerdem hat er sichergestellt, dass meine Oma nie alleine war, indem er bis zum Schluss an ihrer Seite saß.“