„Briefe an meine Schwester“

Roswitha (70), Schwester

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„Die Krebsdiagnose meiner Schwester kam sehr unerwartet für mich und hat mich total überrollt. Nach der Diagnose ging dann alles sehr schnell. Noch während des ersten Lockdowns kam sie auf die Palliativstation, auf der ich sie nicht besuchen konnte, das ist für mich ganz, ganz schlimm gewesen.

Geholfen hat mir in dieser Zeit vor allem mein Glaube. Ich habe mir jeden Abend die Übertragung des Gottesdienstes im Radio angehört und meiner Schwester Briefe geschrieben, dies waren beides Instrumente für mich, die mir sehr geholfen haben. Außerdem habe ich meiner Schwester jeden Morgen und jeden Abend eine WhatsApp Nachricht geschickt, was ich ihr für den Tag oder die Nacht wünsche mit einem dazu passenden Bild. Eine ganz große Kraftquelle war auch das Tanzen für mich. Ich bin dann einfach durch meine Wohnung getanzt, das hilft mir sowohl in Freud als auch in Leid. Ich habe meine Trauer im Tanzen ausgedrückt.

Als meine Schwester kurze Zeit später ins Hospiz kam, konnten mein Bruder und ich sie in Schutzkleidung besuchen. In den letzten sechs Tagen ihres Lebens durfte ich, auf meinen Wunsch hin, meine Schwester selber pflegen. Unterstützung habe ich dabei von den Pflegekräften im Hospiz bekommen. Ich war Tag und Nacht bei ihr. Nachdem meine Schwester verstarb, durfte ich dabei helfen, sie zu waschen und zu bekleiden. Außerdem konnte ich Kerzen anzünden, ein Laken für sie raussuchen und 24 Stunden Totenwache halten. In der Zeit habe ich weiter mit ihr geredet, das war sehr schön für mich.

Bevor meine Schwester vom Bestatter abgeholt wurde, haben wir noch ein Lied abgespielt und gemeinsam gebetet. Das war wie ein kleiner Gottesdienst, bei dem ich mich von ihr verabschieden konnte. Das hat mir sehr geholfen.

Heute habe ich einen kleinen Bereich bei mir zuhause für meine Schwester stehen. Dort steht ein Foto von ihr in einem von mir selbst gestalteten Bilderrahmen und weitere Erinnerungsstücke. Ich rede weiterhin immer mit ihr.“